thewhyguys logo colored
design ohne titel (7)
Datum: 29. April 2025
Kategorien: , ,
Autor: Paul Endrejat
Im Seminar „Agile Organization Development“ der Universität Hamburg haben Studierende die Herausforderungen von vier Organisationen bearbeitet. Basis hierfür der Ansatz Appreciative Inquiry (deutsch: „Wertschätzendes Erkunden“) und ein „Design Thinking“ Mindest und „Motivational Interviewing“-Kommunikation. Dieser Beitrag beschreibt, wir der Einstieg in eine moderne Veränderungsberatung aussah.

Ziele des Kurses

Scrum, Design Thinking, Objectives and Key Results sind nützliche Ansätze, um Organisationen dabei zu unterstützen, ihre Ziele auf agile Art und Weise zu erreichen. Doch wenn keine Expertise darüber besteht, wie sich diese Ideen in organisationale Strukturen implementieren lassen, dann bleiben es Buzzwords für das Bullshit-Bingo. Um den Studierenden einen Einblick in die Beratungspraxis zu geben, der über die Bearbeitung von fragmentierten Fallbeispielen hinaus geht, sollten die realen Herausforderungen von Organisationen gelöst werden. Mit allen Höhen und Tiefen, die dieser Prozess mit sich bringt.

Neben diesem Beratungsprozess, der als „rote“ Faden den Kurs strukturierte, bekamen die Studierenden auch Gelegenheit moderne Methoden wie „Design Thinking“, „Motivational Interviewing“ und „Lego® Serious Play®“ auszuprobieren. Die Anwendung erfolgte während der Termine, die zugrundeliegende Theorie, warum die Ansätze funktionieren, konnte anhand bereitgestellter Literatur nachvollzogen werden.

Inhalte des Kurses

Es gab vier, vierstündige Termine, die jeweils die folgenden Abschnitte umfassten:

1. Reflexion: Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit der Organisation in Bezug auf den letzten Beratungsschritt?

2. Vorbereitung: Information zur nächsten Beratungsphase, Ausprobieren der Methode mit Kommiliton:innen und Planung der nächsten Schritte in der Organisation

3. Lernen: Impuls zu einer modernen und agilen Organisationsmethode, bspw. Design Thinking, Motivierende Gesprächsführung oder Lego® Serious Play®.
Zwischen den Terminen traf sich jedes Team für eine individuelle Supervision, um Feedback zum gerade durchgeführten oder anstehenden Arbeitsschritt mit der Organisation zu erhalten. Diese Reflexion sollte dazu dienen, offene Fragen zu klären, neue Interpretationsmöglichkeiten anzubieten oder Hindernisse zu überwinden.

Im fünften Termin präsentierten die Teams ihren Prozess und Ergebnis. Um ihr Vorgehen anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen abzugleichen und zu reflektieren, sollten für den Abschlussbericht Forschungs- und Übersichtsstudien herangezogen werden. Eine Übersicht über die Termine und Inhalte gibt Tabelle 1.
Tabelle 1
screenshot 2025 04 29 192729

Appreciative Inquiry

Appreciative Inquiry wurde in den 1980 Jahren von David Cooperrider and Suresh Srivastva entwickelt und gilt als eine der signifikantesten Innovationen in der Organisationsberatung. Die zentrale Annahme des Appreciative Inquiry besteht darin, dass ein Vorgehen, welches sich auf die Probleme einer Organisation fokussiert und Defizite hervorhebt, nicht dazu führt, eine anstrebenswerte Vision der Organisation nach der Veränderung zu generieren.

Daher gilt es bereits im ersten Schritt, der Definition des Veränderungsanliegens, ein generatives Thema zu wählen, welches sich nicht auf das Lösen eines Problems fokussiert. Stattdessen sollte ein Thema kühn und anregend sein - etwas, das das Potenzial hat, Menschen zu motivieren und Kräfte zu mobilisieren. Der Fachbegriff hierfür ist „affirmative Themenwahl“.
Zur Verdeutlichung: Ein problemorientierter Ansatz würde den Arbeitsauftrag formulieren: „Die Beschwerden der Mitarbeitenden über schlechtes Führungsverhalten reduzieren“. Ein affirmatives Thema würde danach fragen, „wie wir eine Führungskultur etablieren, die den Bedürfnissen aller Mitglieder der Organisation gerecht wird?“

Im zweiten Schritt sollten die Mitarbeiter:innen dazu eingeladen werden, sich ins Bewusstsein zu rufen, was in der Organisation schon gut funktioniert (Appreciate). Solch ein Schritt erhöht die Offenheit der Veränderungsrezipienten und stärkt ihre Kompetenzen und Selbstwirksamkeit. Dieser Schritt ist auch wichtig, denn im Prinzip stellen Veränderungen ein Paradox dar: Eine Organisation soll sich stetig wandeln, um auf externe Einflüsse zu reagieren. Dabei muss sie jedoch häufig Prozesse und Geschäftsmodelle aufgeben, die sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen haben. Nur wenn diese vergangenen Erfolge wertgeschätzt werden, ist davon ausgehen, dass die Veränderungsrezipienten eine offene Haltung entwickeln, die notwendig ist, um sich auf Veränderungen einzulassen.

In dritten Schritt geht es dann darum zu erkunden (Inquiry), wie die angestrebte Zukunft der Organisation aussehen könnte. Hierbei sollten darauf geachtet werden, dass diese Version in möglichst positiven Begriffen formuliert wird, um so die „Zugwirkung“ zu erhöhen.

Der vierte Schritt besteht darin, Prototypen zu „designen“, die den Weg vom aktuellen Zustand, hin zum „Traumzustand“ geebnet werden kann. Dabei gilt zu beachten, dass Veränderungen nie von einen auf den anderen Moment eine Organisation verändern, sondern die Einführung vom Feedback und Verbesserungsideen der Mitarbeitenden lebt. Daher sind die entwickelten Lösungen zuerst auch als Prototype zu verstehen. Ausgangspunkt der Prototypen sind die bestehenden Herausforderungen, die sich aus den Träumen ableiten. Als Beispiel:
- Traum: Wir machen keine vermeidbaren Fehler mehr, weil wir unseren Humor und Zielorientierung [Stärken] nutzen und einen regelmäßigen Austausch etabliert haben.“
- Herausforderung (Berücksichtigt das zugrundeliegende Bedürfnis des Traums und fügt eine Handlungsrichtung hinzu): „Wie können wir Wissensmanagement im Dialog entstehen lassen?“
- Prototype: Neue Mitarbeitende und Azubis interviewen in den ersten zwei Monaten fünf Kolleg:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen („Was sind Aufgaben und Kompetenzen der Mitarbeitenden?“) und stellen die Ergebnisse in der Wochenbesprechung vor.

Das Feedback und Iteration der Lösungen, ggf. begleitet von neuen Brainstormings, wie die Vision Realität werden kann, leiten den fünften Schritt ein: die Verstetigung. Hierbei kann sich das Projektteam auch fragen, wann es gemerkt hat, dass es gut vorankam (Stärken) und Ansätze designen, wie solche Situationen häufiger im organisationalen Alltag auftreten können.

Themen, die von den Studierenden behandelt wurden

Die vier Organisationen, die von den Studi-Teams begleitet wurden, waren ein Start-up, welches Arbeitnehmer:innen hilft eine für sie passende Arbeitswelt zu gestalten, eine gemeinnützige GmbH, welche die Gesundheit von Kleinkindern fördern möchte, eine Managementberatung und eine Feuerwehrstelle aus Nordrhein-Westfalen.

Herausforderung 1 (Managementberatung): Wie können wir einen effizienten Kundendokumentationsprozess in den Arbeitsalltag integrieren?

Herausforderung 2 (Feuerwehr): Wie können wir eine professionelle Arbeitsatmosphäre etablieren, ohne dass die freundschaftlichen Bande darunter leiden?

Herausforderung 3 (Start-up): Wie können wir noch mehr unzufriedene Mitarbeiter:innen dazu ermuntern, nach Alternativen Ausschau zu halten, die ihren Bedürfnissen gerecht werden?

Herausforderung 4 (gGmbH): Wie schaffen wir es, dass Schulleitungen und Lehrer:innen noch mehr Verbindlichkeit und Engagement bei der Terminkoordination zeigen?

Reflexionen und Stimmen der Studierenden und Partnerorganisationen

Die Studierenden schätzen die Möglichkeit, das erlernte Wissen und Praktiken selbst mit Organisationen auszuprobieren. Besonders die ersten beiden Phasen, das „Entdecken“ und „Träumen“ wurden von den Teams als gelungenes Coaching empfunden, welches den Mitarbeitenden „Hilfe zur Selbsthilfe“ bot. In fast allen Teams hat sich die „eigentliche“ Herausforderung im Prozess noch einmal grundlegend vom „affirmativen Thema“ entfernt. Dies zeigt, dass das Anliegen, welches Auftragger:innen gelöst haben wollen, selten der zentrale Aspekt ist, der Organisationen davon abhält sich entfalten zu können.
Die entwickelten Lösungen gaben den Organisationen neue Denkanstöße und zeigten Wege auf, wie die Träume und Visionen Realität werden können. In jedem Schritt gab es für alle Beteiligte in der Regel viele „AHA“-Erlebnisse, die durch den positiven und wertschätzenden Stil der Beratung aber die dazu führten, dass sie als Defizite erlebt wurden. Sondern als Denkanstöße, hin zu einer besseren Zukunft.

Über den Autor: 

paul endrejat 300x300 crop q65

Paul Endrejat

Gründer, Coach & Organisationsentwickler
Paul hat in Potsdam und Utrecht Psychologie studiert und an der TU Braunschweig zum Thema Veränderungsmotivation promoviert. Seine Forschungsinteressen sind die Motivierende Gesprächsführung, Design Thinking, Job Crafting und die Steigerung des umweltbewussten Verhaltens. Bzgl. der Organisationsentwicklung interessiert ihn besonders, wie sich eine Innovationskultur etablieren lässt und was wir von "Klassikern" wie Kurt Lewin lernen können

Melde dich für unseren Newsletter an

Du willst nix mehr verpassen und immer rechtzeitig informiert bleiben?
thewhyguys logo weiß
© 2025 The Why Guys GmbH
envelopephone-handsetmagnifiercrossarrow-left