„Grünere“ Unis durch Design Thinking Seminare

– Kategorie: Design Thinking – Lesedauer: 16.5 Minuten
Studierenden Design Thinking an realer Herausforderungen beizubringen, bietet die Möglichkeit, Lösungen zu entwickeln, die der Ökobilanz einer Universität zugute kommen. Um diesen Vorschlag greifbar zu machen, stellen wir vor, wie ein Studententeam im Rahmen eines Design Thinking Workshops eine Lösung entwickelte, wir die Nutzung von Einwegbechern verringert werden kann.

Der Earth Overshoot Day, das jährliche Datum, an dem die Menschheit so viele Ressourcen verbraucht hat, wie die Welt erneuern kann, wird jedes Jahr vorverlegt. Im Jahr 2022 war es der 28. Juli. Unser Ressourcenverbrauch übersteigt als bei Weitem, was der Planet produzieren kann. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, brauchen wir einerseits neue und innovative Wege, um Verhaltensweisen innerhalb von Organisationen zu ändern und das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum zu schärfen. Andererseits ist es wichtig, die nächste Generation von Führungskräften auszubilden, um ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum, sozialer Entwicklung und ökologischer Vitalität herzustellen. In dieser Hinsicht kommt den Universitäten eine entscheidende Rolle zu. Nicht nur, weil sie diesen Führungsnachwuchs ausbilden, sondern auch, weil sie ein Umfeld bieten, in dem neu entwickelte nachhaltige Konzepte getestet werden können, bevor sie auf die Gesellschaft übertragen werden.

Obwohl dieses Potenzial erkannt wurde (z.B. Sulkowski, 2017), gibt es kaum konkrete Vorschläge, wie die Nachhaltigkeit auf dem Campus verbessert werden könnte (Disterheft et al., 2012). Wir brauchen greifbare Konzepte, wie Nachhaltigkeit in die Lehrpläne von Universitäten implementiert werden kann.

Eine Möglichkeit hierfür sind partizipative Interventionen, die Personen, von denen ein nachhaltigeres Verhalten erwartet wird, in den Problemlöseprozess einbeziehen. Problembasiertes Lernen bietet geeignete und realistische Methoden, wie ein solcher partizipativer Ansatz den Studierenden vermittelt werden kann. Allerdings wird das Potenzial des problembasierten Lernens im Hochschulkontext noch nicht vollständig genutzt. Um diese Lücke zu schließen, zeigen wir auf, wie Design Thinking (DT) als problemorientierte Lehrmethode genutzt werden kann, um neue Nachhaltigkeitskonzepte zu kreieren. DT setzt interdisziplinäre Studieredenteams ein, um zu experimentieren, Prototypen zu erstellen, Feedback einzuholen und innovative Lösungen für schwierige Probleme zu entwickeln. Ein solcher Lehransatz fordert die Studierenden auf, ihre passive Rolle zu verlassen und sich zu engagieren, neue Informationen zu sammeln und Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Nutzer:innen entsprechen. Die Vermittlung von DT-Fähigkeiten ist somit eine Antwort auf die Nachfrage der Gesellschaft nach kreativen Teams, die dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen zu erreichen.

Um zu skizzieren, wie die DT-Ausbildung genutzt werden kann, um Lösungen für nachhalitges Verhalten zu schaffen, die in die bestehenden Universitätsstrukturen passen, geben wir zunächst einen Überblick über das Konzept des problemorientierten Lernens und wie DT damit zusammenhängt. Anschließend berichten wir über eine Fallstudie eines DT-Teams, welches an der Herausforderung gearbeitet hat, den Verbrauch von Einwegbechern an ihrer Universität zu reduzieren. Neben einer Zusammenfassung des Kursprogramms gehen wir darauf ein, wie die Zusammenarbeit mit einem Projektpartner, einer Do-it-yourself-Campusplattform, dazu beitrug, Unterstützung für den vom DT-Team entwickelten Prototyp zu gewinnen. Abschließend diskutieren wir die Implikationen, die aus dieser Fallstudie gezogen werden können und legen dar, wie weitere Studien unser Verständnis für die Verbreitung nachhaltiger Innovationen in Universitätsstrukturen verbessern könnten.

Design Thinking als problemorientierte Lernmethode

Problembasiertes Lernen fördert das kritische Denken, die Entscheidungsfindung und die Fähigkeit, die kritischen Aspekte in Bezug auf ein bestimmtes Thema zu bestimmen, was wiederum eine forschende Denkweise bei den Lernenden fördert. DT kann als eine spezifische Art der Problemlösung verstanden werden, die die Studierenden auffordert, die Interessen der Projektpartner:innen sowie der Nutzer:innen zu berücksichtigen und diese Interessen in ihre Lösung einzuarbeiten Hier geht's zum Blog mit Design Thinking Artikeln. DT hat somit das Potenzial ein Ansatz zu sein, der die Komplexität und Unvorhersehbarkeit sozialer Strukturen erfasst, da die Sichtweisen aller beteiligten Akteur:innen in den Prozess der Lösungsfindung integriert werden. Dabei baut DT auf der Aktionsforschung auf. Aktionsforschung ist ein iterativer Ansatz zur Planerstellung und Faktensammlung zum Verstehen und Ändern von Verhalten (mehr Infos in diesem Blogbeitrag). Konfrontiert mit einer komplexen Herausforderung oder einem Problem, nimmt ein DT-Team eine nutzerzentrierte Perspektive ein, um zu verstehen, wie das Verhalten der Organisationsmitglieder in eine gewünschte Richtung gelenkt werden kann. Dabei wird ein vordefinierter, iterativer Prozess verwendet, der zu Konzepten oder Angeboten führt (z.B. Artefakte, die eine gewünschte Mensch-Objekt-Interaktion darstellen), bei denen die Nutzerperspektive im Mittelpunkt liegt. Die Einbeziehung potenzieller Nutzer:innen ist notwendig, da glaubwürdige und praktikable Lösungsstrategien nur in Zusammenarbeit mit den betroffenen Interessengruppen entwickelt werden können und nicht aus Ideen eines einsamen Genies entstehen.

Bei diesem Lernprozess besteht die Rolle des Lehrenden nicht darin, wie bei traditionellen Lehrmethoden lehrerhaft von oben nach unten zu kommunizieren, sondern vielmehr als Moderator:in aufzutreten. Das heißt, statt Informationen zu geben und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, schafft der Moderator:in ein Umfeld, in dem sich die Schüler:innen selbstbestimmt in den Lösungsprozess von realen Problemen einbringen können.

Darüber hinaus gehen sowohl Aktionsforschung als auch DT davon aus, dass eine endgültige Lösung nicht durch einen linearen Prozess erreicht wird, sondern dass Iterationen und Feedbackschleifen notwendig sind, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Der iterative Prozess, der in DT angewandt wird, ist eine Abwandlung klassischer problemorientierter Lernansätze, die auf vordefinierten und aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten beruhen. Ein weiterer Aspekt, der DT von anderen Ansätzen des problembasierten Lernens unterscheidet, ist, dass DT sich nicht nur darauf konzentriert, wie ein Problem gelöst werden könnte.
Es bezieht sich auch auf die Aspekte, die das Problem verursachen und die Faktoren, die den aktuellen Status stabilisieren. Mit anderen Worten: Im DT ist das Verständnis des Problems ebenso wichtig wie die Entwicklung einer Lösung. Anstelle sorgfältiger Analysen und Planungen steht das Handeln im Vordergrund. Das liegt daran, dass die Suche nach der richtigen Antwort auf die falsche Frage eine Verschwendung von Ressourcen ist. Daher wird ein DT-Team ermutigt die Iterationsschritte zu nutzen, um auszuprobieren, welche Lösungen in eine bestimmte Richtung gehen könnten, die die Bedürfnisse der Nutzer:innen befriedigt. Dieses Trial-and-Error-Verfahren erfordert ein sicheres und pragmatisches Experimentierklima. Eine komplexe, schlecht definierte Herausforderung, die sich für die Vermittlung von DT an Studierende eignet, wäre es, einer Universität zu mehr Nachhaltigkeit zu verhelfen. Die meisten Studierenden machen sich beispielsweise wenig Gedanken über ihren Konsum und Ressourcennutzung. Wenn sie mit den Folgen ihres Handelns konfrontiert werden, reagieren viele mit Widerstand. Daher veranschaulichen wir, wie DT angewendet werden kann, um die Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens bei der Reduzierung des Verbrauchs von Einwegbechern zu erreichen, indem die Perspektiven der Nutzer:innen integriert werden.

Fallstudie: Wie können wir die Verwendung von Einwegbechern reduzieren?

In Deutschland werden jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher verwendet, was zu massiven Umweltproblemen führt (Deutsche Umwelthilfe, 2015). Die negativen Umweltauswirkungen von Einwegbechern spiegeln sich in der Tatsache wider, dass selbst der umweltfreundlichste Einwegbecher zwei Mal schlechter für die Umwelt ist als der schlechteste Mehrwegbecher (Pladerer et al., 2008). In Anbetracht dieser Zahlen besteht eindeutig die Notwendigkeit, eine Lösung zu finden, die den Kaffee- oder Teetrinkern zwar nicht den Konsum ihrer Getränke verbietet, sie aber vom Kauf von Einwegbechern “abhält”. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen richteten wir einen DT-Workshop ein, um Studierende an dieser komplexen und realen Herausforderung arbeiten zu lassen und Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Benutzer entsprechen und ihnen gleichzeitig helfen zu einer nachhaltigeren Universität beizutragen. Der gesamte Prozess ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Workshop-Vorbereitung: DT als Schlüsselqualifikation
An der Technischen Universitat (TU) Braunschweig ist DT in den Lehrplan des Wahlfachs Soft-Skills integriert. Bei diesen Kursen handelt es sich um dreitägige Workshops für Studierende aller Fachrichtungen, die für ihre Teilnahme Credit-Points erhalten. Diese heterogenen Teams sind ein vielversprechender Ansatz für die Arbeit an einem komplexen Problem und erfordern aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auch, dass die Mitglieder ihre Kommunikationsfähigkeiten entwickeln, um in interdisziplinären Teams zu arbeiten.

Im Einklang mit dem Ansatz des problembasierten Lernens stellen wir die Studierenden nicht nur vor hypothetische Herausforderungen. Stattdessen haben wir verschiedene Kooperationen entwickelt, um Projekte mit echten “Pain Points” einzuführen, die eine authentische Lernumgebung schaffen, in der die Studierenden die Kompetenzen erwerben können, um reale Herausforderungen zu lösen, indem sie ein kundenbasiertes Projekt erstellen. Der Projektpartner für den Pokalwettbewerb war Sandkasten, eine Campus-Do-It-Yourself-Plattform, deren Ziel es ist, einen Campus zu gestalten, der sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert. Sandkasten ermöglicht es Organisationsmitgliedern nicht nur, ihre Ideen zu äußern, sondern hilft ihnen auch bei der Umsetzung dieser Ideen

Der DT-Workshop: Studierende lernen, in interdisziplinären Teams zu arbeiten
Unser dreitägiges DT-Schulungskonzept basiert auf dem Field Guide to Human Centered Design (IDEO, 2015). der aus den drei Prozessphasen Inspiration, Ideation und Implementierung besteht. In den nächsten Abschnitten erläutern wir das Ziel jeder Phase und was das DT-Team in diesen Prozessschritten erreicht hat.

Inspiration: Was sind die wichtigsten Bedürfnisse der Nutzer:innen?
Der erste Tag begann mit einem Input des Kursleiters über die DT-Mentalität und mehreren kurzen Übungen, um die Studierenden mit der DT-Arbeitsweise vertraut zu machen. Zunächst formulierte das Team die Herausforderung neu, d. h. es wurde diskutiert, wie die Aufgabe umformuliert werden könnte, um sie greifbarer zu machen Dieser Schritt berücksichtigt, dass Konzepte wie “Nachhaltigkeit” normalerweise zu abstrakt sind, um gründlich bearbeitet zu werden. Anschließend gab der Moderator einen Input zu verschiedenen Methoden, die angewandt werden könnten, um Einblicke in die Perspektive der Nutzer:innen bzw. Stakeholder zu erhalten. Für den Rest des ersten Tages und den Beginn des zweiten Tages teilte sich jedes Team in zwei Untergruppen auf, um mit Hilfe von Interviews oder Beobachtungsmethoden ‘Feldforschung” zu betreiben. Bei diesen Aktivitäten wurde berücksichtigt, dass Design Thinkiner in der Lage sein sollten, geeignete Fragen zu stellen, um die Standpunkte der beteiligten Akteure zu erfassen und zu verstehen. Bei der Befragung des Studentenbüros erfuhr das Team, dass an der TU Braunschweig 150.000 Einwegbecher pro Jahr verbraucht werden, was die Relevanz der Herausforderung unterstrich.

Ideenfindung: Wie schafft man Lösungen, die den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen?
Im Anschluss an die Feldforschung kamen die beiden Untergruppen zusammen und tauschten ihre Erkenntnisse und Beobachtungen miteinander aus. In einem nächsten
Schritt wählte das Team die wichtigsten Erkenntnisse aus, die sie während der Feldforschung gewonnen hatten. Diese waren: 1. die Nutzer:innen schätzen das To-Go-Erlebnis
2. die Nutzer:innen zögern, ihre eigenen Becher mitzubringen, da dies als Einschränkung der Flexibilität empfunden wird,
3. viele Nutzer:innen konsumieren ihr Getränk in der Nähe des Kaufortes und
4. die meisten Nutzer:innen konsumieren ihr Getränk innerhalb der nächsten 15 Minuten nach dem Kauf.
Folgefragen zu den Gründen, warum die Nutzer:innen, die in oder in der Nähe der Cafeteria konsumieren, zögern wiederverwendbare Becher zu nutzen, ergaben, dass das erneute Anstehen, um das Pfand zurückzubekommen, oder das fehlende Geld für das Pfand die größten Hindernisse für wiederverwendbare Becher sind.

Um diese Erkenntnisse greifbarer zu machen, erstellten die Studierenden eine Persona, die Verhaltens- und Motivationsaspekte der Zielnutzer darstellt. Die wichtigsten Bedurfnisse dieser Persona wurden in “Wie könnte man…”-Fragen umformuliert. z. B. “Wie könnte man die Verwendung von Mehrwegbechern genauso mühelos wie die Verwendung von Einwegbechern gestalten?“ In Brainstorming-Sitzungen entwickelte das DT-Team mehrere kreative Ideen wie diese Fragen gelöst werden könnten. Die vielversprechendsten Ideen wurden weiter ausgearbeitet und in Prototypen umgesetzt.

Idee und Prototype, durch ein Netz, welches am Rucksack befestigt werden kann, zu verhindern, dass Mehrwegbecher zu Hause vergessen werden (wieder verworfen).

Umsetzung: Verwandlung einer Idee in eine Innovation.
Zu Beginn des dritten Tages testete das DT-Team seine Ideen, indem es die Prototypen mit potenziellen Nutzer:innen teilte, um Feedback einzuholen. Der verfeinerte endgültige Prototyp wurde Vertretern von Sandkasten präsentiert. Diese Präsentation fasste den Prozess und die Erkenntnisse zusammen, die zu dem endgültigen Konzept führten. Das Feedback des Projektpartners und der anderen DT-Teams wurde mithilfe spezieller Feedbackbögen strukturiert, die die Möglichkeit boten, Ideen zur weiteren Verbesserung des Konzepts einzubringen. Der Workshop endete mit einer allgemeinen Reflexion über die Lernerfahrungen und die neu erworbenen Fähigkeiten

Nachbereitungstreffen: Besteht die Möglichkeit, die Idee in die Tat umzusetzen?

Der letzte Prototyp, BackCup, ist ein wiederverwendbares Bechersystem, für das man weder Pfand zahlen, noch in einer Warteschlange warten muss. BackCup hat ein spezielles Behälterdesign in Form einer langen Röhre mit aufgedruckten Bechern auf der Oberseite (siehe folgende Abbildungen für ein Bild des BackCup-Prototyps).

Diese Aufschriften verhindern Missbrauch, da die neuen Behälter in unmittelbarer Nähe zu den nächsten Mülleimern aufgestellt werden. Wie normale Mülleimer sollte auch BackCup regelmäßig geleert werden. Um sicherzustellen, dass BackCup das Potenzial hat, an der TU Braunschweig realisiert zu werden, haben das DT-Team und Vertreter:innen von Sandkasten in mehreren Treffen das weitere Vorgehen besprochen und die nächsten Prozessschritte geklärt. Da der Prototyp auch die Akzeptanz und Unterstützung des Cafeteria- Personals benötigt, hat das Team diese Bedenken in den Sitzungen berücksichtigt und diese kritische Stakeholder-Gruppe frühzeitig eingebunden. Das Personal vermutet zum Beispiel, dass die Behälter durchnässt werden. Diese zusätzliche Information führte zu den bedruckten Bechern entlang der Röhre. Diese sollten verhindern, dass die Benutzer ihre Becher mit der Oberseite nach unten in die Röhre stellen. Konfrontiert mit der Frage, wie sich die Idee finanzieren ließe, entwickelte das DT-Team einen Businessplan, der auf der Idee basiert, dass die BackCup-Stände als Werbeflächen genutzt werden könnten.

Kampagnengestaltung: Wie man das Bewusstsein und die Akzeptanz für den Prototyp erhöht
Als Do-it-yourself-Campus-Plattform bietet Sandkasten eine Website, welche als partizipatives Werkzeug für Campus-Projekte dient. Die Idee ist Prozesse so transparent wie möglich zu gestalten und das Feedback der Nutzer:innen einzubeziehen, um die Chancen zu erhöhen, dass aus Prototypen Innovationen werden. Um ihre Idee unter den Studierenden und Mitarbeitenden bekannt zu machen, entwickelte das DT-Team eine Online-Kampagne, bei der 500 Organisationsmitglieder der Idee ein “Like” geben mussten, um mit BackCup fortzufahren. Dieser quantitative Mechanismus sollte sicherstellen, dass der Prototyp von einer kritischen Masse unterstützt wird, bevor Ressourcen in seine Realisierung investiert werden (Sammalisto und Lindhqvist, 2008).

Verwalten Sie die Kampagne: Gewinnen Sie weitere Unterstützung von potenziellen Nutzer:innen
Die Dauer der Online-Kampagne war auf einen Monat angesetzt. Aber innerhalb von fünf Tagen wurde die Idee von 500 Fans unterstützt, was die angestrebte Zahl war, um mit der Umsetzung der BackCup-Idee zu beginnen. Um mit den Fans in Kontakt zu bleiben und weiteres Feedback zu erhalten, postete das DT-Team Updates über den Fortschritt des Projekts. Darüber hinaus konnten sich die Fans auch an dem Projekt beteiligen und es unterstützen, indem sie z.B. ihr Fachwissen zur Verfügung stellten.

Anwendung des Projekts: Einbindung des Prototyps in organisatorische Strukturen
Ein DT-Team muss die Kultur einer Organisation berücksichtigen, um die Umsetzung und Akzeptanz der Innovation sicherzustellen. Die Bewältigung dieser Aspekte ist notwendig, um Studierende zu Change Agents auszubilden, die sich mit den Komplexitäten der Nachhaltigkeit und “weichen” Themen im organisatorischen Veränderungsmanagement befassen. So bot Sandkasten dem DT-Team Zugang zum institutionellen Netzwerk der Universität und ermöglichte ein Treffen mit den Mitarbeitern der Universitäts-Cafeteria. Indem das Team sein Projekt über die Online-Kampagne öffentlich machte, erhielt es Kooperationsangebote von den gewählten Studierendenvertreter:innen, von Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace und von einer Mehrwegbecher-Firma. Derzeit arbeitet das BackCup-Team am Waschzyklus und an Prototypen für den Rückgabemechanismus.
Der Erfolg der Lösung zeigt sich auch daran, dass das System bereits für Konferenzen an der TU Braunschweig genutzt wurde.

Diskussion

In diesem Kapitel wird eine Fallstudie zur Entwicklung innovativer Ideen zur Verringerung der Verwendung von Einwegbechern an einem Universitätscampus durch problemorientierte Lernansätze beschrieben. Es folgt damit der Aufforderung neue Ansätze und Methoden zu entwickeln, die dem transformativen Charakter der Umsetzung nachhaltiger Strategien Rechnung tragen. Durch den Einsatz von DT-Schulungen bekommen Studierende die Möglichkeit, praxisnahe Kompetenzen zu erwerben, die sie in anderen Organisationen zur Lösung komplexer Probleme einsetzen können.
Wir haben DT als innovative und problemorientierte Lehrmethode hervorgehoben, die in den Lehrplan einer Universität passt und darauf abzielt, sowohl die fachlichen als auch die zwischenmenschlichen Kompetenzen der Studierende zu entwickeln. Im Laufe des DT-Trainings wurden die Studierende dazu ermutigt, sich nicht nur auf das funktionale Ziel, der Reduzierung der Abfallproduktion zu konzentrieren, sondern auch die emotionale Sphäre der Nutzer:innen zu erschließen und Empathie für deren persönliche Bedürfnisse zu entwickeln. Darüber hinaus liefert unser DT-Training ein Beispiel dafür, wie Universitäten das Thema Nachhaltigkeit in Lehrveranstaltungen integrieren können, die normalerweise keinen Bezug zu diesem Thema haben. Mit dem Ziel in den Köpfen der Studierenden eine Verbindung zwischen dem betreffendem Fach und der nachhaltigen Entwicklung herzustellen.

Unser Ausbildungskonzept kann als innovative Lehrmethode auch an anderen Universitäten und für andere Herausforderungen genutzt werden. An der TU Braunschweig zum Beispiel haben die DT-Teams auch an anderen Nachhaltigkeitsprojekten, wie z. B. der Neugestaltung der Aufteilung der Büroräume zur Senkung des Energieverbrauchs gearbeitet, eine Herausforderung, die vom Facility Management gestellt wurde. Solche Ideen und Konzepte stehen auch im Einklang mit - und unterstützen - umfassendere Bemühungen, wie den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Zu diesen Zielen gehört auch, dass die aus der Nachhaltigkeitsforschung gewonnenen Erkenntnisse von Praktiker:innen genutzt werden, z.B. zum Verständnis von Komplexität sowie zum kritischen Hinterfragen von Systemen, Politiken und Routinen, die grundsätzlich nicht nachhaltig erscheinen. Wir haben mehrere Ideen entwickelt, wie man zur Erreichung dieser Ziele beitragen kann, indem man auf die positiven Auswirkungen von Ansätzen des problemorientierten Lernens als theoretische Grundlage aufbaut. Durch den Einsatz des DT-Ansatzes können Praktiker:innen die Nutzer:innen in den Lösungsprozess einbeziehen und diesen zu einer partizipativen Bottom-up-Methode machen, anstatt Veränderungen von oben nach unten aufzuerlegen. Indem wir die Studierenden einbeziehen und sie über die Schwierigkeiten nachdenken lassen, wie man die Nutzer:innen zu einem “grüneren” Verhalten motivieren kann, bildet unser Kurs zukünftige Change Agents zur Förderung der Nachhaltigkeit aus. Durch die Vermittlung einer DT-Mentalität werden die Studierenden dazu ermutigt, zusammenzuarbeiten, kritisch zu denken und systemisches Denken anzuwenden, was die Eigenverantwortung der Studierenden fördert.

Für Universitäten, die beabsichtigen unseren Ansatz anzuwenden und DT in ihre Lehrpläne zu integrieren, haben wir drei Empfehlungen: Erstens werden qualifizierte Moderatoren benötigt, die mit dem DT-Ansatz und der Gruppendynamik vertraut sind, um die Studierende durch den DT-Prozess zu führen. Zweitens sollten die Universitäten sicherstellen, dass die DT-Ausbildung leicht in die Lehrpläne integriert werden kann. Ein außerschulisches Kursprogramm trägt dazu bei, dass die Studierenden in interdisziplinären Teams arbeiten. Drittens bietet ein institutionelles Kooperationsnetz den Studierenden die Möglichkeit, mit Projektpartnern zusammenzuarbeiten, die echte “Probleme” haben. Auf diese Weise arbeiten
die Studierenden nicht mit hypothetischen Herausforderungen, sondern haben es mit Akteur:innen zu tun, die in den Prozess mit einbezogen werden müssen. Eine Do-it-yourself- Plattform, die die Ressourcen und das Fachwissen für die Weiterverfolgung einer Idee bereitstellt, könnte eine optimale Grundlage für eine solche Zusammenarbeit sein.

Den englischen Beitrag mit Quellen gibt es hier zum Download

Beitrag teilen bei: Twitter oder Facebook


Geschrieben von:

Avatar
Paul Endrejat
Gründer, Coach & Organisationsentwickler

Paul hat in Potsdam und Utrecht Psychologie studiert und an der TU Braunschweig zum Thema Veränderungsmotivation promoviert. Seine Forschungsinteressen sind die Motivierende Gesprächsführung, Design Thinking, Job Crafting und die Steigerung des umweltbewussten Verhaltens. Bzgl. der Organisationsentwicklung interessiert ihn besonders, wie sich eine Innovationskultur etablieren lässt und was wir von "Klassikern" wie Kurt Lewin lernen können

Weitere Beiträge von Paul Endrejat:

Let´s talk about change.